Historischer Hintergrund
Geschichte des Quartiervereins
Im März 2004 gründeten Lorenz Tschudi und weitere der Allmend eng verbundene Küsnachterinnen und Küsnachter den Quartierverein Allmend. Unmittelbarer Anlass dazu war die Revision der Bau- und Zonenordnung (BZO) der Gemeinde im Jahr 2004 und die damit verbundene Sorge um die Erhaltung der Wohn- und Lebensqualität im Quartier. Damals existierten aufgrund überholter Planungen noch Zonen mit hoher baulicher Dichte, die es zu hinterfragen galt. Seither vertritt der QVA die öffentlichen Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner nach innen und nach aussen, befasst sich mit Quartierfragen allgemeiner und spezifischer Art wie auch mit Problemen und Anliegen der Gemeinde.
Das zweite, ebenso wichtige Anliegen des Vereins ist die Förderung des Kontakts zwischen den Bewohnern der Allmend, u.a. durch gesellige und der Information dienende Anlässe. In Zeiten der zunehmenden Anonymität in einem immer noch wachsenden, auch immer internationaler werdenden Quartier, ist dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Der Quartierverein verfolgt keine kommerziellen Ziele, erstrebt keinen Gewinn und ist konfessionell und politisch neutral. Letzteres mit folgender Einschränkung: Immer wenn es um die Erhaltung oder gar Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität ging, setzte sich der Verein für die öffentlichen Interessen der Bewohner der Allmend ein. Beispiele dafür sind die Durchsetzung eines öffentlichen Gestaltungsplans beim Bau der Siedlung im Hüttengraben, Tempo 30 in den Quartierstrassen der Allmend und die Freihaltung der für die Allmend zentralen grossen Wiese, der Sunewis. (Heute ein Acker, siehe Bilder in den vier Jahreszeiten)
Zur Geschichte der Allmend und des Allmendquartiers
Kantonskarte: Hans Conrad Gyger, 1667
Auf der Kantonskarte des berühmten Kartographen Hans Conrad Gyger aus dem Jahr 1667 stösst man zwar nicht auf die erste, wohl aber die bekannteste Erwähnung der Küsnachter Allmend. Die Karte zeigt die Allmend oberhalb des Dorfes auf einem geräumigen Geländeabsatz auf der linken Seite des Tobels und oberhalb eines breiten Bandes von Rebland. Allmenden, d. h. von den Bauern gemeinschaftlich genutztes Land, gab es seit dem Mittelalter praktisch überall. Auf der Karte von Gyger ist als Verbindung zwischen Dorf und Allmend deutlich die Allmendstrasse, damals ein einfacher Schotterweg, eingezeichnet. Auch ein bescheidener Weiler ist in Ansätzen zu sehen, nämlich am obersten Ende der heutigen Allmendstrasse, dort, wo sich noch heute eine kleine Gruppe historischer Bauten - ehemalige Bauernhäuser - befindet. Von der Allmend ausgehend sind weitere Wege eingezeichnet, die zum Küsnachter Berg und zu einer Burg namens Balp führen, für die es bis heute merkwürdigerweise keine archäologische Evidenz gibt. Die Allmend wurde während Jahrhunderten vermutlich in erster Linie als Viehweide und als Wiesland genutzt. Nach dem Ende des Ancien Régime, irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kam es wie fast überall in der Schweiz zur Auflösung der Allmende und zum Verkauf des Landes an ein paar wenige Landwirte. Dafür gab es vielfältige Gründe, die allesamt in grundlegenden Veränderungen in der Wirtschafts- und Agrarverfassung der Zeit liegen. Um 1890 gab es auf der Allmend noch ein rundes Dutzend Landwirte, die v.a. Viehwirtschaft und Rebbau (letzteres wohl v.a. an den Hängen), Waldwirtschaft und in eher geringerem Masse Ackerbau betrieben(1). Heute gibt es auf der Allmend noch einen einzigen Landwirtschaftsbetrieb.
Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es an den gut besonnten Hanglagen des Dorfes fast überall Reben. Das war auch in den andern Seegemeinden so. Aber bereits im 19. Jh. geriet das Dorf immer stärker in den Sog der Stadt Zürich, zuerst durch den Bau der Seestrasse (ab 1833, während der liberalen Ära der sogenannten ‚Regeneration‘) und dann vollends ab 1894, als die rechtsufrige Eisenbahnlinie in Betrieb genommen wurde. Immer mehr Rebland an den schönen Aussichtslagen wurde v.a. mit Einfamilienhäusern überbaut und Küsnacht wurde immer mehr zu einem beliebten Vorort der boomenden Stadt Zürich. Die Allmend hinkte der Entwicklung deutlich hinterher, aber mit dem Bau der Bergstrasse, ab 1920, war der Weg vorgezeichnet. Allerdings ging es mit der Entwicklung nicht geradlinig weiter. Nach einer kurzen Phase des Wachstums und des Optimismus nach dem ersten Weltkrieg kamen die schwierigen Dreissigerjahre und der Zweite Weltkrieg, aber ab den späten 40-er, v.a. aber in den 50-er und 60-er Jahren gab es kein Halten mehr (2). Weil es auf der Allmend noch lange genügend Platz gab (auch zunehmend Land im Gemeindebesitz), wurden hier auch grössere, der ganzen Gemeinde dienende Infrastrukturprojekte (Schiessstand und DANO-Anlage) realisiert. Ähnlich wie in Itschnach wurden hier zudem grosse Gesamtüberbauungen erstellt (Gartensiedlung im Gü, Überbauung der Firma Spross, Arealüberbauung im Zeltengut, Genossenschaftssiedlung im Hüttengraben, Überbauung Terrazza auf dem Allmendboden), weil hier zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder grosse Stücke Bauland zur Verfügung standen. Die Beliebtheit der Allmend als Wohnquartier dauert ungebremst an, was sich auch in den zahlreichen Ersatzneubauten – Wohnblöcke verdrängen Einfamilienhäuser - und den enorm gestiegenen Immobilienpreisen niederschlägt. Die Schattenseite ist der zunehmende Verkehr und die um sich greifende Anonymität.
1): Gottfried Alder. Bauernbetriebe in der Gemeinde Küsnacht(-Tal) und Itschnach um das Jahr 1890. Küsnachter Jahresblätter 1965, S. 40 ff.
2): Dr. Thomas Keller. Die Quartierentwicklung am Lärchenweg und auf dem Allmendboden nach 1919. Küsnachter Jahrheft 2010, S. 36 ff.
Swissair Aufnahme, vermutlich Anfang der 1920er Jahre.
Gut sichtbar: die neu erstellte Bergstrasse
Die Ansicht des Dorfes Küsnacht um 1900 zeigt die Allmend noch praktisch
ohne Bebauung.
Chronologie
1906:
Küsnacht gibt sich eine erste Bauordnung, sie umfasst aber die Allmend und den Künachter Berg noch nicht.
1920:
Der Bau der Bergstrasse als sanft ansteigende Rampenstrasse wird in Angriff genommen (praktisch gleichzeitig mit dem Bau der Schiedhaldenstrasse auf der andern Tobelseite). Der Bau der Bergstrasse und später der Ausbau der Limbergstrasse erschliessen die Allmend, den Küsnachter Berg und ermöglichen eine bessere Verbindung zum Weiler Forch und nach Zumikon. Erst um die Jahrhundertmitte wird die Bergstrasse geteert.
Einweihung des neuen Schiessstands im Holletsmoos, der noch heute besteht. Vorher wurde an verschiedenen anderen Orten der Gemeinde geschossen, u.a. am See, von einem Haus angrenzend an die Steinburghaab hinüber zum Horn!
1921-23:
Beginn der Freilegung der Burgruine Wulp.
1927:
Eine umfassende neue Bau- und Zonenordnung macht erstmals auch Vorschriften für die Allmend und den Küsnachter Berg, die der Zone 3 zugewiesen werden.
1929:
Bau der heute noch existierenden alten Pfadfinderhütte oberhalb der Allmend („Mattischtlewääg / Limbergstrasse). Die Knabenabteilung der Pfadi existiert seit 1916, die Mädchenabteilung seit 1928.
Ausbau in späteren Jahren inklusive Hütte für die Maitli-Pfadi.
1934:
Auf der Allmend, wo es im Gegensatz zum Dorf noch fast unbeschränkt Platz hat, findet das kantonale Turnfest mit 5000 Besuchern statt. Hier werden vor dem Bau des Fussballplatzes im Heslibach auch Fussballspiele ausgetragen.
1945 -1960:
Die Gemeindebevölkerung nimmt um 56% und die Steuerkraft um mehr als 200 % zu. Der Bauboom erfasst auch die Allmend. Bereits bestehende Strassenzüge (Hesligenstrasse, Ränkestrasse, Limbergstrasse, u.a.) werden im Zuge der Überbauung der Allmend ausgebaut. Beginn des systematischen Grundstückerwerbs durch die Gemeinde.
1947:
Erwerb der Sunewis in der Allmend durch die Gemeinde mit dem Ziel, das Land der Spekulation zu entziehen. (Beschluss der Gemeindeversammlung vom 28. März 1947, die das Grundstück einer Reservezone zuweist).
1952:
Der Autobusbetrieb der Linie Zürich-Zollikon-Küsnacht (seit 1933) wird bis in die Allmend erweitert. Die Gemeindeversammlung beschliesst eine Abfallkompostierungsanlage im Holletsmoos zu erstellen, die sogenannte DANO-Anlage. Die Zunahme von unverweslichem Abfall (Plastik!) bedeutet das Aus der Anlage im Jahre 1973. Danach, ab 1979, dient die Anlage der Kompostierung von Gartenabraum.
1953:
Bau des ersten Klubhauses des 1942 gegründeten Tennisklubs Küsnacht auf der seit 1946/47 betriebenen Anlage in der Allmend. Zuvor wurde auf drei privaten Plätzen in andern Teilen der Gemeinde gespielt. Tennis wird zum Breitensport.
1960:
Erste Diskussionen in allen rechtsufrigen Gemeinden über die seit längerem existierenden Pläne des Kantons, eine Höhenstrasse in der Form einer 4-spurigen Autobahn zu bauen. Die Strasse sollte die Seestrasse entlasten und von Zürich bis nach Rapperswil-Jona führen. Der Kanton kaufte im vorgesehenen Trassee überall Land zusammen, um möglichst rasch bauen zu können.
1971:
Die Gemeindeversammlung vom 21. Juni lehnt den Antrag des Gemeinderates, über das Tobel eine Autobahnbrücke als Teil der geplanten Höhenstrasse zu errichten, mit überwältigendem Mehr ab. Die Strasse wäre nicht nur ein grober Eingriff ins Küsnachter Tobel gewesen, sie hätte auch das Ruhegebiet beim Schübelweiher zerschnitten und der Allmend viel Lärm und Gestank beschert.
Die hochtrabenden Strassenbaupläne werden in allen rechtsufrigen Zürichseegemeinden heftig bekämpft und 1982 mit der Annahme des regionalen Richtplans endgültig begraben.
Die Gemeinde erstellt einen Vitaparcours im Künachter Tobel auf der Allmend.
1974:
Der Verein für Gartenfreunde Küsnacht erhält von der Gemeinde auf der Allmend bei den Tennisplätzen (und in Itschnach) Land, um Familiengärten zu erstellen, die in den folgenden Jahren errichtet werden.
1978:
In der Rehweid entdeckt der Küsnachter Gärtnermeister Heinz Rimenberger die Fundamente eines grossen römischen Gutshofes, dessen mutmasslicher lateinischer Name fundus Cossiniacus „Landgut des Cossinius“ die Grundlage des heutigen Ortsnamens sein könnte. Demnach wurde dieser Name bei den im Frühmittelalter eingewanderten Alemannen zu Chussenacho und schliesslich, Jahrhunderte später, zu Küsnacht.
1984:
Erwerb von rund 48’000 m2 Land vom Kanton im Trassee der ehemals geplanten, inzwischen fallengelassenen Höhenstrasse, durch die Gemeinde.
1989:
Der Tennisklub Küsnacht Allmend nimmt ein neues, den gewachsenen Bedürfnissen angepasstes Klubhaus in Betrieb.
2005:
Die Gemeindeversammlung vom 20. Juni beschliesst, im Gebiet Heslibach-Allmend Tempo 30 einzuführen.
2014:
Nach mehreren Rekursen, von denen zwei bis vor Bundegericht gezogen werden, kann die Baugenossenschaft Zurlinden im Hüttengraben (Teil des ehemaligen Trassees der Höhenstrasse) acht dreigeschossige Gebäude mit insgesamt 70 vergünstigten Wohnungen bauen.
2016:
Der Gemeinderat will im Rahmen einer Teilrevision der Bau- und Zonenordnung die Sunewis in der Allmend einzonen und in den nächsten 15 Jahren überbauen. Dabei spielt die Vermeidung einer millionenschweren Mehrwertabgabe im Rahmen des Gesetzes zum Mehrwertausgleich eine entscheidende Rolle. Diese möchte der Gemeinderat vermeiden. Der Quartierverein Allmend setzt sich an vorderster Stelle gegen das Ansinnen des Gemeinderates ein und setzt sich an der Gemeindeversammlung, die mit über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Teilen der Gemeinde aussergewöhnlich gut besucht ist, durch. Der Antrag auf nachträgliche Urnenabstimmung verfehlt das dafür nötige Quorum deutlich.
2018:
Die Gemeindeversammlung vom 18. Juni beschliesst eine Teilrevision des kommunalen Richtplans Verkehr, die es ermöglichen soll, dass eine Hängebrücke über das Küsnachter Tobel, die Itschnach mit der Allmend verbindet, gebaut wird. Der Küsnachter Johann Konrad Willi hat für den Bau 1.1 Mio. Franken gestiftet. Die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz erhebt gegen das Projekt Einspruch. Ob die Brücke, evtl. in abgespeckter Form, weiter oben im Tobel realisiert werden kann, ist zur Zeit ungewiss.
2022:
Im Juni nimmt die Biogasanlage an der Hesligenstrasse 126 (Zone für öffentliche Bauten, früher DANO-Anlage / später Kompostieranlage) den Betrieb auf. Dort soll der Gartenabraum von Küsnacht und benachbarter Gemeinden verarbeitet werden. Anwohner an der Hesligenstrasse, unterstützt vom Quartierverein Allmend, wenden sich vergeblich gegen das Projekt, das dem Quartier einigen (Lastwagen-)Mehrverkehr bringt. Der Gemeinderat behandelt das Projekt als rein privatwirtschaftliche Angelegenheit.
Didi Michel vom Weingut Diederik (vormals Welti) pachtet von der Gemeinde 8500 m2 Ackerland beim Schützenhaus und legt dort einen Weinberg an.
Verfasser der Texte zur Geschichte: A. Wolf
Literatur:
Franz Schoch. Geschichte der Gemeinde Küsnacht, 1951
Alfred Egli, René Hauswirth, Erwin Kuen, Hans Schnider. Küsnacht im 20. Jahrhundert, 1989
Erwin Kuen. Küsnacht, 1983
Küsnachter Jahrhefte (bis 1994 Küsnachter Jahresblätter genannt), 1960 – heute. Bis auf die neuesten Ausgaben sind die Küsnachter Jahrhefte digitalisiert und im Internet aufgeschaltet. www.ortsgeschichte-kuesnacht.ch
Historische Karte von Hans Conrad Gyger (Gis-Browser)
Impressionen aus der Allmend der 50-er Jahre